Unwetterschäden –wer haftet bei Windwurf und Windbruch?
Nicht zuletzt wegen der klimatischen Veränderungen haben außergewöhnliche Wetterereignisse in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Sturm, Hagel und Starkregen verursachen allein in Deutschland jährlich Sachschäden in Milliardenhöhe. Durch den Wintersturm „Sabine“, der im Februar 2020 über Deutschland hinwegfegte, wurden beispielsweise viele Ortsdächer abgedeckt, Fenster beschädigt und Antennen und Satellitenanlagen zerstört. Dabei wurde ein Großteil der Schäden durch Windwurf und Windbruch, d.h. durch sturmbedingtes Entwurzeln oder Knicken von Bäumen, hervorgerufen.
Im Zusammenhang mit heftigen Stürmen und Orkanen ergeben sich für Immobilieneigentümer regelmäßig die gleichen Fragen: Wer kommt für Schäden auf? Zahlt meine Gebäudeversicherung oder Hausratsversicherung? Wie sehen meine Rechte gegenüber privaten Nachbarn oder der Kommune insbesondere bei Windwurf und -bruch aus?
Wir haben Ihnen einige Beispiele aus der Rechtsprechung zusammengetragen.
1. Ausreichender Versicherungsschutz
Für die Abdeckung möglicher Unwetterschäden durch die Gebäudeversicherung ist ein ausreichender Versicherungsschutz Voraussetzung. In den häufigsten Fällen ist das im Versicherungsschein bezeichnete Gebäudegegen Schäden durch Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel versichert. Auch wenn es sich bei der Gebäudeversicherung um keine Pflichtversicherung handelt, ist der Abschluss einer solchen Police unbedingt zu empfehlen. Schäden durch Hochwasser oder Überschwemmungen sind in der Regel nur dann versichert, wenn der Eigentümer eine Zusatzversicherung gegen Elementarschäden abgeschlossen hat. Voraussetzung für die Ersatzpflicht der Versicherung bei Sturmschäden ist eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestensWindstärke 8. Der Sturm kann in der Regel nachgewiesen werden, wenn vomzuständigen Wetteramt für den Schadenstag und für den Schadensort mindestens Windstärke 8 festgestellt wurde oder in der Nachbarschaft gleichartige Sturmschäden aufgetreten sind oder der Schaden nach menschlichem Ermessen nur durch einen Sturm mit mindestens Windstärke 8 entstanden sein kann. Der Geschädigte muss dabei das Ereignis Sturm selbst und seine schadensverursachende Kausalität nachweisen. Eine Ursache ist dann adäquat und unmittelbar im Sinne der versicherungsrechtlichen Bestimmungen, wenn sie die letzte zeitliche Ursache ist, die zu dem Schaden geführt hat. Versicherungen empfehlen den Versicherten Schäden in einer Schadensliste aufzuführen und durch Filme und Fotos zu dokumentieren. Darüber hinaus sollten Zeitungsartikel über Schäden in der Region gesammelt und gegebenenfalls auch beschädigte Nachbarhäuser fotografiert werden. Der Versicherungsschutz durch die Gebäudeversicherungerstreckt sich in der Regel nur auf Schäden am Haus und damit fest verbundenen Teilen. Sturmschäden an der Wohnungseinrichtung werden hingegen von der Hausratsversicherung abgedeckt. Auch hier muss der Versicherte den Nachweis erbringen, dass der Sturm (und das damit zumeist verbundene eindringende Regenwasser) ursächlich für den Schaden war. Schäden durch Regen sind somit nur dann versichert, wenn sie infolge eines Sturmschadensentstehen, also wenn der Sturm zuvor Fenster, Dächer oder die Fassade beschädigt hat. Ein kuriosen Fall hatte das AG München im Jahr 2018 entschieden. Hier verklagte ein Versicherungsnehmer seine Hausratversicherung auf Kostenerstattung wegen des Verlustes seines Toupets. Was war passiert? Der Mann versuchte, während des Sturms „Kyrill“ die gelöste Markise auf seinem Balkon wieder zu befestigen. Als er dafür seinen Kopf aus der Wohnung steckte, wurde das-nicht am Kopf befestigte-Haarteil durch den Sturm weggerissen. Kein Versicherungsfall, entschied das AG München. Zum einen gelte der Versicherungsschutz nur für Sturmschäden innerhalb von Gebäuden. Und zumindest der Kopf befand sich außerhalb des Gebäudes. Zum anderen habe der Versicherungsnehmer grobfahrlässig gehandelt (AG München, 8. Januar 2008,261C29411/07).
2. Nachbarrechtliche Haftung
Dem Privateigentümer eines Grundstücks mit Baumbestand obliegt hinsichtlich dieser Bäume eine Verkehrssicherungspflicht. Dabei gelten die für Straßenbäume entwickelten Grundsätze zur Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich auch für Bäume auf Privatgrundstücken(OLG Köln, 26. Mai1992,1 U2/92, VersR 1993,850). Der Umfang der bestehenden Verkehrssicherungspflicht hängt von Art, Grenznähe, Alter, Größe, Vorerkrankungen sowie Umwelteinflüssenab. Je größer, je älter, etc. der Baumbestand ist, desto höher sind die Anforderungen an die Pflichten des Eigentümers. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat derjenige, der die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, im Rahmen des möglichen dafür zu sorgen, dass von den dort stehenden Bäumen keine Gefahr für andere ausgeht, der Baumbestand viel mehr so angelegt ist, dass er im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch und Windwurf, insbesondere aber auch gegen Umstürzen aufgrund fehlender Standfestigkeit gesichert ist (BGH, 21.3.2003, VZR319/02, NJW 2003,1732). Im Regelfall ist der Baumbestand zweimal im Jahr, einmal in belaubtenund einmal im unbelaubten Zustand zu überprüfen. Dazu reicht eine äußere Sichtprüfung, bezogen auf die Gesundheit und Standsicherheit des Baums aus (LG Kaiserslautern, 26. September 2005, 3 O 1030/04, NJOZ 2006, 1414). Eine eingehende Untersuchung ist erst dann vorzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die der Erfahrung nach auf eine besondere Gefährdung hindeuten, wie etwa eine spärliche oder trockeneBelaubung, trockene Äste, äußere Verletzungen, Wachstumsauffälligkeiten oder Pilzbefall (BGH, 21.1.1965, III ZR 217/63, NJW 1965,815). Verfärbungen im Stammesinneren, die gegebenenfalls zwar die Standfestigkeit beeinträchtigen können, von außen aber nicht zu erkennen sind, begründen keine Haftung (OLG Köln, 2. Februar 2017,7 U134/16, VersR2017, 771). Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine konkrete Gefahr durch den Baum hinweisen. Kann der Geschädigte nachweisen, dass die ordnungsgemäße Überprüfung des Baums zur Entdeckung der Schädigung des Baums und zur Beseitigung der Gefahr geführt hätte, ist der Nachbar zum Schadensersatz verpflichtet (BGH, 4.3.2004, IIIZR225/03, NJW 2004,1381). Dies umfasst sowohl die Kosten für die Behebung der Schäden am Eigentum des Nachbarn, als auch die Entfernung des umgestürzten Baumes. Kommt der Baumeigentümer allerdings seinenVerkehrssicherungspflichtennach und handelt es sich um einen Baum, der den herkömmlicherweise auftretendenNaturgewalten standhält, so haftet er nicht, wenn der Baum infolge eines Sturmes (mindestensWindstärke 8) Schäden verursacht. Davon zu unterscheiden ist ein möglicher verschuldensunabhängigerAnspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung gemäß Paragraph 1004 Abs. 1 BGB. Hierfür muss der NachbarStörer sein. Dazu reicht nach der Rechtsprechung des BGH die bloße Stellung als Eigentümer des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, allerdings nicht aus. Die Beeinträchtigung muss vielmehr wenigstens unmittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen. Durch Naturereignisse ausgelöste Beeinträchtigungen sind ihm allenfalls dann als Störer zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn sie erst durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden sind (BGH, 23. April 19:00 Uhr 93, VZR 250/92, NJW 1993, 1856).Das bloße Anpflanzen und Aufziehen von widerstandsfähigen Bäumen begründet eine solche Gefahrenlage regelmäßig noch nicht. Eine Verantwortlichkeit im Rahmen des Paragraph 1004 Abs. 1 BGB kann den Grundstückseigentümer erst dann treffen, wenn von ihm unterhalteneBäume infolge von Krankheit oder Überalterung ihre Widerstandskraft eingebüßt haben. War der Baum gegenüber Normaleinwirkungender Naturkräfte hinreichend widerstandsfähig gewesen, scheidet eine Haftung bei ungewöhnlichen heftigen Stürmen aus. Schließlich kann sich eine Haftung des Grundstücksbesitzer aus Paragraph 836 Abs. 1 BGB ergeben, wenn sich Gebäudeteile wie beispielsweiseZiegelbei einem Sturm lösen und einenSchaden anRechtsgüternDritter verursachen. Nach der gesetzlichen Konzeption wird widerlegbarvermutet, dass das Ablösen von Gebäudeteilengrundsätzlich für eine fehlerhafte Errichtung des Bauwerks oder eine mangelhafte Unterhaltung spreche (BGH, 23.3.1993, VI ZR 176/92, NJW 1993,1782). Naturereignisse oder Witterungseinflüsse besondererArt können die Annahme ausschließen, dass die Ablösung von Teilen eines Werks auf.